{Worth the Hype !?} Angie Thomas – The Hate U Give – oder wieso dieses Buch so verdammt wichtig ist! [Rezension]

 

In meiner neuen Beitragsreihe geht es – wie der Name schon verrät – um Hypes.

Ihr kennt das alle – auf einmal ist einfach überall dieses Buch präsent. Jeder Blogger, Booktuber oder Instagrammer hält das Buch in die Kamera und alle in den Social Media reden von nichts anderem mehr. Dabei polarisieren solche gehypten Bücher oft – die einen lieben es, die anderen lehnen es ab.

Ich muss sagen, dass ich bei solchen Hypes oft sehr kritisch bin. Entweder bin ich auch direkt überzeugt oder brauche erst einmal einige Zeit, um das Buch in Ruhe zu beschnuppern, wenn der Hype bereits etwas verflogen ist.

Da es vermutlich vielen von euch so geht, werde ich in der Beitragsreihe ‚Worth the Hype !?‘ diese für euch genauer unter die Lupe nehmen und abseits des üblichen Fandoms ein Feedback geben, ob der Hype wirklich gerechtfertigt ist oder nicht.

Den Anfang macht dabei ein Buch aus einer Kategorie, die ich sonst eher selten lese – die Rede ist von The Hate U Give von Angie Thomas, einem klassischen Contemporary-Werk.

Noch vor der deutschen Übersetzung war dieses Buch im englischsprachigen Raum in aller Munde – hochgelobt von den meisten Kritikern und der Buchcommunity.

Als dann noch das Erscheinen der deutschen Übersetzung bei CBT bekannt wurde, wusste ich, dass ich es aufgrund der Thematik unbedingt lesen muss.

Darum gehts: Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in dem verarmten Viertel, in dem sie wohnt, und in der Privatschule, an der sie fast die einzige Schwarze ist. Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Khalil war unbewaffnet. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet; viele stempeln Khalil als Gangmitglied ab, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Polizei und ein Drogenboss setzen Starr und ihre Familie unter Druck. Was geschah an jenem Abend wirklich? Die Einzige, die das beantworten kann, ist Starr. Doch ihre Antwort würde ihr Leben in Gefahr bringen…

(Quelle: Verlag cbt)

Die Story greift aktuelle Problemfelder der amerikanischen Gesellschaft auf und nimmt dabei eine sehr persönliche Perspektive ein, die sonst oft in den Medien untergeht: man lernt das Opfer kennen und begleitet die Angehörigen durch die Zeit nach der Tat.

Was dieses Buch so besonders und wohl auch kontrovers macht, ist der Perspektivenwechsel. In den (amerikanischen) Medien wird oft nur einseitig berichtet, nun wird die Seite der afroamerikanischen Bürger beleuchtet, fernab bloßer Black Lives Matter- Parolen. Die Protagonistin Starr ist daher entsprechend gut gewählt: eine junge Farbige, die zwar in einem Problemviertel lebt, aber auf eine privilegierte weiße Schule geht und bildungstechnisch eine glänzende Zukunft vor sich hat. Somit wird gerade kein Klischee des jungen Ghettokindes bedient, welches im Leben eh keine andere Chance sieht als zu dealen oder Mitglied in einer Gang zu werden, oder den Aufstieg durch Sport erreichen zu müssen. Starr war mir dabei immer sehr sympatisch. Insbesondere ihr Konflikt zwischen ihrem ’schwarzen‘ Familienleben in ihrem Elternhaus im Problemviertel sowie der Besuch einer eher weißen Eliteschule, ihre Freundschaften und ihre Beziehung zu einem Weißen fand ich nie übertrieben und immer sehr glaubhaft.

Starr wird Zeugin, wie ihr Freund Khalil bei einer Polizeikontrolle ohne jeglichen Anlass erschossen wird – beispielhaft für zu viele vergleichbare Fälle von Polizeigewalt in der jüngsten Vergangenheit. Das Buch hat also ungemeinen Zündstoff – als Leser wissen wir, was Sache ist: Khalil wurde ohne jeglichen Grund erschossen. Allein sein Aussehen, sein Auftreten und sein Ruf waren Anlass für den Polizisten, den Abzug zu drücken. An seinem Beispiel wird der Leserschaft schmerzlich vor Augen geführt, dass es Rassismus im Alltag und insbesondere im Rahmen von Polizeigewalt gibt – er ist real und hat auch in der heutigen Zeit noch ungeheure Konsequenzen.

Gut gefallen hat mir außerdem auch das Einbringen alltäglicher Rassismuskonflikte. In einer Szene beschreibt Angie Thomas ein klassisches Beispiel davon, wenn etwa Starrs privilegierte weiße Freundin Hailey Äußerungen mit rassistischem Kontext tätigt, die für sie scherzhaft gemeint, für die Betroffenen allerdings schmerzhaft empfunden werden. Hier sind wir in der klassischen „Negerkuss“-Situation. Weiße als nicht Betroffene entscheiden darüber, was sie selbst als rassistisch empfinden und was nicht. Dass man dabei allerdings dieses Empfinden allein der betroffenen Seite überlassen sollte, wird leider oft übersehen. Solche Konflikte lässt die Autorin geschickt einfließen, lässt sie aber – wie auch in der Realität – oft ungelöst. Als Leser bleibt man deswegen oft beklommen zurück.

Auch der Sprachgebrauch ist dabei hart an der beschriebenen Realität und fernab blumiger Worte. Der verwendete Slang spiegelt die gesellschaftliche Schicht wieder, in der sich das Buch bewegt. Dabei wird je nach Situation zwischen Slang und Hochsprache gewechselt und dadurch noch krasser der Unterschied innerhalb der Gesellschaft verdeutlicht.

Als Hip Hop-Fan liebte ich auch die vielen Hinweise, die Angie Thomas im Buch versteckt hat, wie etwa zu  N.W.A. und Tupac und deren Einfluss auf die afroamerikanische Gesellschaft.

Tupac prägte dabei das Akronym THUG LIFE – was für The Hate U Give Little Infants Fucks Everybody steht. Dabei meint das Akronym die Chancenungleichheit der amerikanischen Gesellschaft: Afroamerikaner haben in der Regel weniger Chancen auf sozialen Aufstieg und Wohlstand, das System dient nur den bereits Privilegierten. Das Problem der gesellschaftlichen Schere müsste dabei wohl nicht nur in Amerika gelöst werden.

Auch die Andeutungen zur Black Panther-Bewegung, Martin Luther King und Malcom X sind ein Genuss für Leser, die sich mit der amerikanischen Geschichte der Neuzeit beschäftigt haben. Den ein oder anderen regen die Verweise vielleicht sogar zum Nachschlagen an.

People like us in Situations like this become hashtags, but they rarely get justice. I think we all wait for that one time though, that one time when it ends right.

(Quelle: Angie Thomas – The Hate U Give, Balzer & Bray)

Genau auf diesen Moment fiebert man als Leser hin. Man war bei der Ermordung Khalils quasi live dabei, hat die sonst übliche Perspektive gewechselt und wünscht sich nicht sehnlicher als Gerechtigkeit. Man ist fest davon überzeugt, dass alles gut werden wird, dass alles gut werden muss. Dass diesmal alles anders ist. Angie Thomas baut über das ganze Buch mit allen kleinen und großen Verstrickungen, Charakteren und Entwicklungen diese Erwartungshaltung auf – nur um sie dann in einem großen Knall zum Einsturz zu bringen. Und genau dies löste zwar zunächst Verwirrung, Ärger und Schock bei mir aus – was aber genau die Reaktion ist, die die Autorin provoziert hat und die eventuell etwas bewegen kann. Wenn man sich selbst von einer solchen Ungerechtigkeit betroffen fühlt, wenn man plötzlich Empathie für die Gegenseite entwickelt, dann kann ein Umdenken stattfinden. Durch das Nichterfüllen der Erwartungshaltung wird die Message des Buches umso deutlicher – Rassismus ist ein reales gesellschaftliches Problem, das uns alle angeht.

Das Buch ist für mich schon jetzt ein moderner Klassiker, den man einfach gelesen haben sollte.

Worth the Hype !? Unbedingt! Nicht umsonst ist die Verfilmung bereits für 2018 in Planung.

Hier der Link zum Buch.

Das englische Original ist aufgrund des Slangs eher für fortgeschrittene Leser oder für Anfänger mit Kenntnissen in der Umgangssprache geeignet.


12 Gedanken zu “{Worth the Hype !?} Angie Thomas – The Hate U Give – oder wieso dieses Buch so verdammt wichtig ist! [Rezension]

  1. Das Thema der Beitragsreihe gefällt mir! Wieso nicht absolut gehypte Bücher unter die Lupe nehmen? Ich lese Bestseller wie auch weniger bekannte Bücher und manch ein Hype hat auch mir erst einmal den Wunsch, das Buch zu lesen, versaut. Jahre später kann´s passieren, dass ich es lese und es mir total gut gefällt und ich denke: Ja, der Hype war gerechtfertigt! 😉
    Das Buch, das du vorstellst, habe ich noch nicht gelesen, wollte es aber gerne. Habe schon einige Rezensionen dazu gelesen, sehr viele positive wie auch einige verhaltene. Wahrscheinlich wird es auch bei diesem Buch so sein, dass ich noch eine kleine Weile verstreichen lasse.

    Bin auf weitere Bücher aus dieser Beitragsreihe gespannt!

    GlG vom monerl

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  2. Wenn ein Buch total gehyped wird, schreckt mich das ganz oft von einem Kauf ab. Ich bin froh, dass du dem ganzen auf den Grund gehst und mal nachschaust, ob diese Bücher wirklich so lesenswert sind. 🙂
    Der Klappentext von The hate you give hat mich schon im Buchladen angesprochen. Deine Rezension hat mir nochmal eine ganz andere Sicht auf den Roman eröffnet, weil sie so ausführlich und ausgewogen ist. Ein toller Beitrag. 🙂
    Liebe Grüße
    Anna

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    1. Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar! Ich sehe es genauso und bin oft auch erst einmal abgeschreckt, deshalb dachte ich mir, ich schaue mir diese Hypes mal genauer an! Das Buch ist sehr empfehlenswert, ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen 😉

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  3. Hach, das Buch liegt auch noch auf meinem SuB, hoffentlich komme ich da dieses Jahr noch dazu! Und eine sehr schöne Rezension. Dein Blog gefällt mir überhaupt sehr gut – vor allem dieser Header *-*
    LG Emily

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